Das Bach Ensemble Luzern bei einem früheren Konzert in der Franziskanerkirche Luzern. (Bild: Boris Bürgisser)

Bach Ensemble Luzern: Archaisches Requiem, verspielte Klarinette

Das Bach Ensemble Luzern widmet seine Saison dem jüngsten Bach-Sohn und der Klarinette. Und wartete mit einer Überraschung aus dem Kloster Einsiedeln auf. Gerda Neunhoeffer 27.03.2023, 13.58 Uhr

Dramatisch bis unbeschwert

 

Opernhafte Dramatik wechselt mit gefühlvollen Bitten in der Missa da Requiem von Johann Christian Bach, dem jüngsten der Bach-Söhne. Das Stimmenmaterial dieses Requiems wurde dankenswerterweise vom Kloster Einsiedeln zur Verfügung gestellt und es erklingt wohl zum ersten Mal in der Schweiz. Franz Schaffner und das Bach Ensemble Luzern widmen diesem auch «Mailänder Bach» genannten Komponisten die Konzerte dieser Saison. Dazu erklingt jeweils ein Klarinettenkonzert, das Dimitri Ashkenazy interpretiert.















Der Klarinettist ist Luzern schon seit seinem Studium, das er 1993 mit Auszeichnung abschloss, verbunden. Tänzerisch wirken die schnellen Sätze im Klarinettenkonzert Nr. 10 B-Dur von Carl Stamitz, verspielt und gesanglich webt Ashkenazy lang schwingende Tongirlanden über das Orchester. Es ist ein heiteres Miteinander der Instrumente, leicht und virtuos, unbeschwert und harmonisch.


Welch ein Gegensatz zum Beginn des Konzertes am Sonntag in der vollbesetzten Franziskanerkirche. Introitus und Kyrie des Requiems klingen archaisch. Man hört die Meisterschaft des Bach-Vaters in den kontrapunktischen Verzahnungen durch. Dann aber, nach dem Klarinettenkonzert, entfaltet sich die ganz eigene Tonsprache Johann Christian Bachs. Das Orchester spielt die heftig dramatische Einleitung zum «Dies Irae» wie eine Opern-Ouvertüre, der achtstimmige Chor setzt leise ein und entfaltet in enormer Steigerung grossen Klang. Franz Schaffner verbindet die zwölf Teile nahtlos miteinander, Solisten und Chor wechseln sich organisch ab. Der junge Bassist Benjamin Widmer singt das «Quantus tremor est futurus» mit klarer Stimme und sonorer Tiefe über den Violinen, die das Zittern lautmalerisch wiedergeben. Immer wieder wird der Text in der Musik deutlich nachgebildet. Die Solisten (Barbara Böhi, Sopran; Gianna Lunardi, Alt und Tenor Hans-Jürg Rickenbacher) passen zur opernhaften Musik und ergänzen sich auch gut im Quartett. Der Chor meistert die verzahnten Fugen mühelos, artikuliert klar und deutlich. Eine rundum gelungene Aufführung.

 

Gerda Neunhoeffer

 

Hinweis: www.bachensembleluzern.ch

Das Bach Ensemble unter Franz Schaffner 2019. Bild: Emanuel Ammon.

Konzert 23. Dezember 2022 KKL

Bach Ensemble Luzern eröffnete Weihnachten im Konzertsaal familiär

Das Bach Ensemble Luzern jauchzte und jubilierte im KKL mit der Sopranistin Maria C. Schmid und der Trompete von Immanuel Richter. Dass trotzdem nur 800 den Weg ins KKL fanden, hat verschiedene Gründe.

Urs Mattenberger 23.12.2022, 22.53 Uhr


Das Weihnachtskonzert des Bach Ensembles Luzern gehört an den Schluss der Adventskonzerte im KKL wie das Amen in der Kirche. Es führte diese Tradition – nach nur einem Pandemie-Unterbruch 2020 – gestern fort. Und doch war einiges anders als in den Vorjahren.

Statt der über 1300 Besucher vor Corona kamen gestern nur gut 800 in den Konzertsaal. «Diese Zahl ist zwar ernüchternd», sagt Werner Grossniklaus vom Vorstand, «aber sie liegt 20 Prozent über jener vom letzten Weihnachtskonzert und ermöglicht wohl eine schwarze Null.» Familiär war auch das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern zum Schluss. «Für viele unserer Besucher beginnt mit diesem Konzert Weihnachten», weiss Grossniklaus. «Dem wollten wir Rechnung tragen.»

Davor zogen Chor und Orchester unter der Leitung von Franz Schaffner alle Register festlicher Barockmusik. Dass nicht das Weihnachtsoratorium als Zugpferd geboten wurde, mochte zwar den Kartenverkauf weiter gehemmt haben. Aber der Verzicht ermöglichte eine nicht mindere Programmvielfalt, die die Stärken der Ensembles von unterschiedlichen Seiten zeigten.

So waren eine Kantate und Messe von Bach sowie dessen Motette «Lobet den Herrn, alle Heiden» ideal auf die Möglichkeiten des Chors zugeschnitten, der in der Besetzung (rund 50 Sängerinnen und Sänger) einen Mittelweg geht zwischen Kammer- und Grosschor. In fugierten Passagen trug der bewegliche, klar artikulierte Chorklang ebenso wie er sich zu kompakter Klangfülle steigerte, wobei das bis zu Hörnern und Trompeten prächtig und weihnachtsgemäss besetzte Orchester für eine überschäumende Krone sorgte.

Das Orchester spielte eine Schlüsselrolle auch in den solistischen Höhepunkten des Programms. So musste man innerlich mitjubeln, wenn die Sopranistin Maria C. Schmid und die Trompete von Immanuel Richter um die Wette jauchzten und jubilierten. Und in Concerti von Bach (erstes «Brandenburgisches») und Corelli («per Natale») zeigten beschwingt und intensiv, wie sehr sich das Orchester inzwischen an der historischen Aufführungspraxis orientiert.


Christmas-Entertainment und Netflix als Konkurrenz

So blieb es erstaunlich, dass mit alledem nicht ein grösseres Publikum angesprochen werden konnte. Liegt es daran, dass klassische Weihnachtskonzerte auch im KKL immer mehr durch stilistisch breit gefächertes «Christmas»-Entertainment konkurrenziert werden? Werner Grossniklaus stellt diese Konkurrenz in einen grösseren Kontext: «Auch in digitalen Medien wie Netflix oder Sky gibt es viele weihnächtliche Angebote, die man zu Hause konsumieren kann. Und das ist etwas, woran sich viele während Corona wohl gewöhnt haben.»

Was man zu Hause definitiv nicht haben kann, ist das Singen mit 800 Menschen in einem Saal. Bedauerlich deshalb, dass wegen der Länge des Programms Franz Schaffner am Schluss die Weihnachtslieder Schlag auf Schlag durchdirigierte. Aber sie waren so gewählt, dass man auch ohne Textblatt mitsingen konnte. Da gingen mit den Mündern die Herzen auf und Weihnachten hatte definitiv begonnen.

Chor und Orchester des Bach Ensembles Luzern bei einem früheren Auftritt. Bild: Pius Amrein

Bach Ensemble Luzern startet seine Konzert-Saison

Bach Ensemble Luzern startet seine Konzertsaison mit Remakes zum Innehalten

Schon im Barock waren Remakes gang und gäbe. Das Bach Ensemble Luzern zeigt es in dieser Saison mit Werken, in denen Bach auf frühere Kompositionen zurückgriff. Im ersten Konzert luden Original und Bearbeitung zum Innehalten ein.

Gerda Neunhoeffer 28.03.2022, 13.48 Uhr


Dieses Jahr widmet sich das Bach Ensemble Luzern ganz dem Namensgeber Johann Sebastian Bach. Interessant ist, dass jeweils eine Chorkantate einer Messe gegenübergestellt wird, die in Beziehung zueinanderstehen. Denn Bach hat immer wieder bei seinen eigenen Kompositionen «Anleihe» genommen. So entstanden sogenannte «Parodien».

Im ersten Konzert am Sonntag in der Franziskanerkirche sind es die Kantate «Alles nur nach Gottes Willen» BWV 72 und die Messe g-Moll BWV 235. Es gelingt Franz Schaffner eindrücklich, die Gemeinsamkeiten im Eingangschor der Kantate und dem Gloria der Messe heraus zu kristallisieren. Die pulsierende Energie wird in beiden Sätzen in raschem Tempo ausmusiziert, das Orchester trägt den Chor durch die Koloraturen und verschlungenen Themen. Streicher, Oboen, Fagott und Continuo spielen die Sechzehntel-Bewegungen gestochen klar und beweglich, die Chorstimmen beeindrucken durch gute Textverständlichkeit und reinen Klang.

Zwischen Kantate und Messe erklingt die Bass-Solokantate «Ich habe genug» BWV 82. Auch da bringen schnelle Koloraturen die «Freude» zum Ausdruck, die Bassist Stefan Vock im Zusammenspiel mit der Oboistin Barbara Zumthurm lebendig aussingt. Mit inniger Ruhe wird die Arie «Schlummert ein, ihr matten Augen» gestaltet.

In der Messe entfaltet der Chor in den getragenen Fugenthemen des Kyrie Intensität und Kraft, Franz Schaffner formt die Stimmen zu einheitlicher Tonsprache. Und wenn manche Spitzentöne etwas matt klingen, passt das zur ernsten Stimmung dieser Bitten um Erbarmen. Dass erst am Ende des Konzertes applaudiert wird, zeigt, wie sehr hier Bachs Musik zum Innehalten bringt.

Foto Emanuel Ammon / aura 2019

Bach mit zwei Gesichtern

Weihnachtsoratorium


Mit der Weihnachtsgeschichte in ihrer klassischen Form trotz Corona eine «Auszeit» nehmen, wie es im Programmheft hiess? Das war gestern dem Bach Ensemble Luzern zu verdanken. Dieses führte trotz schleppenden Kartenverkaufs im Konzertsaal des KKL Bachs «Weihnachtsoratorium » auf und sorgte gleich zu Beginn für eine Überraschung. Denn da «jauchzte» der Chor nach dem Auftakt mit Pauken und Trompeten nicht, sondern sang ungewohnt, aber passend «tönet, ihr Pauken, schallet Trompeten». Dass Franz Schaffner auf den von der Zensur verbotenen Originaltext zurückgriff, zeigt, wie auch er sich mit Quellen und historischer Aufführungspraxis auseinandersetzt, die längst auch in Luzern und bei Bach den Ton angibt.

Die Aufführung zeigte diesbezüglich aber zwei Gesichter. Das Orchester begeisterte mit fein artikulierter barocker Klangrede, dem die Solo-Trompete von Immanuel Richter die Krone aufsetzte. Das vorzügliche Solistenquartett (Judith Schmid, Alt; Tobias Wicky, Bass) fügte sich da nahtlos ein: Barbara Zinniker mit dem betörenden Glanz ihrer Sopranstimme, der Tenor Rémy Burnens, indem er seinen dahinschmelzenden Erzählton in den Arien zu koloraturwendiger Erregung steigerte.

Ganz anders der traditionelle, flächigere Chorklang. Da setzte nicht die deutliche Zeichnung in vielstimmigen Chören die Akzente, sondern – wie bei der Neutextung zu Beginn – eine ausgeprägte Gestaltung aus dem Wortsinn heraus. Wo Schaffner den Chorklang – in einem Choral – auch mal buchstäblich «schweben» liess, ergaben sich freilich Momente der Magie, die von allen Stilfragen unberührt blieb. Das erstaunlich zahlreiche Publikum dankte es mit herzlichem Applaus. (mat)

Foto Emanuel Ammon / Aura 14. 11. 2021

Ein Chor, dem alles gelang

KLASSIK


Bach Ensemble: Ein Chor, dem alles gelang

Das Bach Ensemble spielte am Sonntag in Luzern die Johannespassion.

Gerda Neunhoefer

15.11.2021, 20.52 Uhr


Wie in Stein gemeisselt erklangen am Sonntag in der Luzerner Franziskanerkirche die ersten drei Chor-Akkorde von Bachs Johannespassion «Herr, Herr, Herr». Das Bach Ensemble Luzern wuchs in seiner Aufführung in Ausdruck und Gestaltung zu einem Chor, dem alles gelang. Da erklangen die Choräle in bester Textauslegung, die Volkschöre mal leicht, mal spöttisch-ironisch, gar böse – und Anfangs- und Schlusschor in ergreifender Intensität. Franz Schaffner dirigierte klar und fordernd.


Lautmalerisch begleitete er die Rezitative am Cembalo, Hans-Jürg Rickenbacher sang gut verständlich, in der Höhe und in den Arien manchmal etwas angestrengt. Es war etwas befremdlich, dass die Bass- Rezitative, Jesus, Pilatus und Petrus, alle im raschen Wechsel von Stefan Vock gestaltet werden mussten. Mit betörender Stimme sang er das Arioso «Betrachte meine Seel».


Hervorragende Streicher und Holzbläser


Zügig liess Schaffner das Geschehen um Jesu Gefangennahme, Verurteilung und Kreuzigung fortschreiten, man wurde gepackt von diesen unbarmherzigen Szenen. In «Lasset uns den nicht zerteilen» sang der Chor die raschen Koloraturen gestochen scharf, mal leise, mal aufbrausend. Wie Balsam wirkten da die Arien mit dem glockenhell schwebenden Sopran von Christina Boner-Suter und Altistin Ingrid Alexandre. In «Es ist vollbracht» ergänzte sich ihre warm timbrierte Stimme mit dem sanft klingenden Cello Jürg Eichenbergers zu einem Höhepunkt, der sich im Mittelteil «Der Held aus Juda siegt mit Macht» und vollem Orchester noch steigerte. Konzertmeisterin Naomi Lozano, die hervorragenden Streicher und Holzbläser agierten durchweg stabil und differenziert. Ergriffen lauschten die vielen Besucher dem Schlusschoral nach, bevor lang anhaltender Beifall aufbrandete.

Über das Bach Ensemble
Emanuel Ammon/Aura (22.12.2019)

Das Bach Ensemble Luzern, geleitet von Franz Schaffner, brilliert im KKL.

Solokonzert für Harfe und Flöte

Am Sonntagmorgen ist die Reihe am Bach Ensemble unter dem Gründer und langjährigen Dirigenten Franz Schaffner. Wie immer ist ihr Konzert ein Publikumsmagnet. Mit ihrer Mischung aus besinnlichen und leicht hörbaren Stücken schaffen sie es jedes Jahr, das Publikum in Scharen anzulocken.


Aktuell ist es ein Wechsel aus Johann Sebastian Bach, natürlich, und Georg Philipp Telemann, die perfekt die adventliche Stimmung spiegeln. Interessanterweise sind es je zwei Stücke dieser Zeitgenossen, die jeweils den gleichen Texten zugrunde liegen. Dem «Nun kommt der Heiden Heiland» vor der Pause folgt das «Singet dem Herrn ein neues Lied» nach der Pause.


Das Bach Ensemble Luzern singt teils agil, zeichnet etwa die Fuge in Telemanns Kantate technisch versiert und mit einem guten Puls. Mit Wohlklang im Bass und in den mittleren Lagen ist der Chor in der Höhe etwas dünn besetzt. Schön in den singenden Mezzoforte-Stellen vermisst man den wuchtig jubelnden Ausbruch. Das choreigene Orchester ist vor allem bei den Bachstücken präzise und lebendig.


Bei den Gesangssolisten sind es der Bass Peter Brechbühler, Professor an der hiesigen Hochschule Luzern für Sologesang, und die einheimische Laura Binggeli, die mit relaxten, offenen Stimmen und klarer Gestaltung Glanzpunkte setzten. Das Vergnügen dieses Adventmorgens ist jedoch das Solistenduo Anne Bassand an der Harfe und die aus Malters stammende Flötistin Gabriela Schüpfer. Ihr Konzert für Harfe und Orchester (Georg Friedrich Händel), sowie Mozarts Doppelkonzert für Flöte und Harfe spielen sie mit viel Intimität und dem Gespür für Zwischentöne.

Chor
Chor

Bach Ensemble: Chor und Harfe brillierten

Zwei Wochen nach dem Pfingstfest liess Franz Schaffner am Sonntag mit seinem Bach Ensemble Musik um den Heiligen Geist noch einmal klangvoll aufleben. Und nicht nur die Pfingst-Kantaten von G. Ph. Telemann und J. S. Bach, auch das Harfenkonzert von François-Adrien Boieldieu (1775–1834) schien vom Heiligen Geist inspiriert.

Die vielen Zuhörenden in der Franziskanerkirche Luzern konnten die Texte dank deutlicher Aussprache von Chor und Solisten gut verfolgen. Dabei arbeitete Schaffner genau heraus, wie sowohl Telemann als auch Bach die Worte klangmalerisch auslegen. In Telemanns Kantate «Stehe auf, Nordwind» wurde der Wind von ruhigen Streicherbewegungen verdeutlicht, und mit lebhaften Koloraturen wurde die «Kraft aus der Höhe» ausgemalt.


Zuversichtliche Leichtigkeit

Bachs Kantate «Erwünschtes Freudenlicht» lebt von zuversichtlicher Leichtigkeit; Freude und Dankbarkeit wurden in feinen Trillern von Sopran und Alt (Olivia Allemann und Susanne Andres) und in Tongirlanden der beiden Flöten hörbar. Und der Schlusschor wurde von Chor und Orchester schwingend ausmusiziert. Wie in Telemanns Missa brevis «Komm, Heiliger Geist» dieser schlichte Choral immer wieder im «Gloria» aufscheint, das gestaltete Schaffner sehr bewusst und transparent, und in der Amen-Fuge konnte der Chor die Beweglichkeit besonders zeigen.


Im Zentrum aber stand das Harfenkonzert von Boieldieu. Sabine Moser, die in Luzern studiert hat, spielte den Solopart feinfühlig, trotz Hall blieben die Töne filigran. Nach dem spritzigen «Allegro brillante» führte das Largo mit dunklen Klängen in die Opernwelt des Komponisten, Orchester und Solistin malten die Melancholie, das Rondo reichte von romantischen Harmonien bis in sprudelnde Klangkaskaden. Wie sich ein Harfenkonzert in geistliche Werke einfügt, zeigte nach dem Konzert im März auch dieses eindrucksvoll.


Nächstes Konzert am 22. September mit dem Harfenkonzert von Dittersdorf.

Chor
Eveline Beerkircher (Luzern, 24. März 2019)

Konzert in der Franziskanerkirche Luzern: Entzückende Harfen-Serenade

Zeitgleich entstandene Kantaten wie aus zwei Welten, dazu ein weitgehend unbekanntes Harfenkonzert: Franz Schaffner und sein Bach-Ensemble Luzern starteten mit einer spannenden Mischung von Werken in die neue Saison.

Gelungener Saison-Auftakt des Bach-Ensembles Luzern: Es ist ein etwas anderes Konzept, das Franz Schaffner nun präsentiert. Er sagte, dass er diesmal keinen Instrumentalsolisten in den Fokus nehmen will: «Ich habe mir überlegt, das Instrument in den Vordergrund zu stellen, das dann von vier verschiedenen Musikern gespielt wird. Und ich kam auf die Idee mit der Harfe, für die es viele interessante Konzerte gibt. Zudem habe ich aus den etwa 2000 Kantaten von Telemann eine ausgewählt, die zur Jahreszeit des Konzertes passt.»


Dazu kommt jeweils eine der elf Missa brevis von Telemann und immer eine Bach-Kantate mit gleichnamigem oder ähnlichem Inhalt wie die von Telemann. Wie gut sich diese «Mischung» zueinander verhält und wie spannend sie ist, das konnte man am Sonntag in der Franziskanerkirche Luzern erleben.


Ganz nah am Text komponiert

Die Kantate «Wo soll ich fliehen hin» von Georg Philipp Telemann und die gleichnamige von Johann Sebastian Bach bildeten Anfang und Ende des Konzertes. Wie unterschiedlich sie sind, obwohl etwa zur gleichen Zeit (Telemann 1722, Bach 1724) entstanden, wurde in der Gegenüberstellung von Franz Schaffner klar herausgearbeitet. Sie sind wie aus verschiedenen Welten und dennoch ganz nah am Text komponiert, das wurde besonders deutlich.


Bei Telemann liegt der Fokus auf den Rezitativen und Arien. Der Chor hat nur den Anfangs- und Schlusschoral zu singen, in Bachs Kantate aber ist der Eingangschor mit Orchestereinleitung gross angelegt. Das Konzert in der sehr gut besuchten Franziskanerkirche begann mit Telemanns Kantate. Der Chor sang den kurzen Choral klar verständlich, bevor Wolf H. Latzel mit seinem wohlgeführten, sonoren Bass im ersten Rezitativ um Vergebung aller Schuld bat. In der folgenden Arie, die zuversichtlich von der Huld und ewigen Liebe Gottes handelt, war diese ewige Liebe lautmalerisch mit lang ausgehaltenen Tönen verdeutlicht. Das Orchester begleitete durchsichtig und klangschön, die Rezitative leitete Franz Schaffner vom Cembalo aus.


Auch in Telemanns Missa brevis «Christ lag in Todesbanden» mit Choral, Kyrie und Gloria gab es auskomponierte Textdeutungen. Das Wort «Pax» wurde besonders hervorgehoben, und ein zusätzliches «Amen» klang verheissungsvoll. Chor und Orchester agierten lebendig, ausgewogen und mit ausgefeilter Dynamik. Dann wurde die Harfe gebracht und aus ihrer roten Umhüllung befreit: ein festlicher Anblick.


Ein ganzes Spektrum an glitzernden Tönen

Und mit festlicher, dabei erfrischender Musik ging es weiter. Ernst Eichner (1740–1777) war zu seiner Zeit als Geiger, Komponist und vor allem Fagott-Virtuose bekannt. Sein erstes Harfenkonzert wurde von der Solistin Franziska Brunner so sensibel wie virtuos gespielt, ein ganzes Spektrum an glitzernden Tönen schwang sich in den Kirchenraum. Das Orchester, in dem die Hörner in den Ecksätzen weiche Klangfarben beisteuerten, begleitete differenziert und aufmerksam. Zu einer entzückenden Serenade geriet das Andante, in dem alle Streicher durchweg Pizzicato spielten und so dem Harfenklang sehr nahe rückten und ihn reizvoll ergänzten.


Weil der Tenor Timothy Löw kurzfristig erkrankt ist und kein Ersatz gefunden werden konnte, wurden Tenor- Rezitativ und Arie weggelassen. Dafür wiederholte Franz Schaffner den Eingangschor der Bach-Kantate BWV 5 «Wo soll ich fliehen hin» am Ende noch einmal.


Bach hat den Cantus Firmus im Sopran mit Trompete verstärkt; Immanuel Richter spielte gewohnt souverän, und Alt, Tenor und Bass sangen ihre poly­fonen Stimmen kraftvoll aus. In der Arie «Verstumme, Höllenheer» verband sich das Orchester mit Solotrompete und Solo-Bass zu einer Zuversicht ausstrahlenden, geradezu himmlischen Musik. Man konnte hören, wie sich hier jegliche Höllenkraft der Macht der Musik beugen muss, und wie der schwache Mensch weder verzagen noch Angst haben soll.


Das kam auch in der Wiederholung des Eingangschores noch einmal in der unwiderstehlichen Kraft und dem einmaligen Sog von Bachs Musik zum Ausdruck. Da braucht es nicht unbedingt die heute so favorisierte historisch orientierte Aufführungspraxis, wenn es so lebendig, klangschön und authentisch musiziert wird wie von Franz Schaffner und seinen Ensembles. Die vielen Zuhörer dankten mit lang anhaltendem Applaus.


Nächstes Konzert am 23. Juni mit dem Harfenkonzert von François-Adrien Boieldieu.

Überraschend Das Bach Ensemble

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Chor und Orchester in hervorragender Balance

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Bach zermahlt das Grauen dieser Welt

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Federnd leicht mit Pauken und Trompeten

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Ein Gloria für den klirrenden Winter

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